Ich habe mich in den letzten Tagen und Wochen viel damit beschäftigt, wie man eigentlich jemand, wie Rufus Beck oder Thomas Fritsch wird. Rufus Beck hat die Harry Potter-Bücher eingesprochen und diese Hörbücher haben mich zum ersten Mal (mit 10 Jahren oder so) darüber nachdenken lassen, wer eigentlich dieser Mensch ist, der mir da mit so vielseitiger Stimme vorliest. Ich weiß noch, dass ich eine ganze Weile auch dachte, dass dieses Hörbuch von mehreren Leuten eingelesen wurde.
Und Thomas Fritsch ist die Synchronstimme von vielen großartigen Filmfiguren, in „König der Löwen“ ist er mir zum ersten Mal als deutsche Vertonung von Scar aufgefallen. Ich bin unglaublich fasziniert von seiner Stimme und von der Art und Weise, wie er sich an seinen zu synchronisierenden Figuren orientiert, sodass eine überaus stimmige visuelle und auditive Wahrnehmung entsteht. Ob als Scar, als Aslan in „Narnia“, als Brom in „Eragon“ oder als übler, bösewichtiger Mund Saurons – durch seine Stimme transportiert er unglaublich viele Charaktereigenschaften der Figuren.
Kurzer Exkurs zu meinen Beobachtungen bzgl. der Geschlechtlichkeit von Stimmen
Die beiden Stimmen, die ich genannt habe, sind männliche Stimmen. Ich meine schon jetzt zu bemerken, dass viele Hörbücher, vor allem Krimis und Thriller, von Männern eingesprochen werden. Kinderbücher hingegen habe ich oft von Frauen eingesprochen gefunden. Auch spannend in Bezug auf die Frage nach dem Geschlecht der Stimme ist der Stimmklang bei Synchronsprecherinnen.
Ich hatte das Gefühl, dass die wirklich bekannten weiblichen Stimmen einen bestimmten sexuellen Unterton haben. Sie sind selten sonderlich tief, klingen immer entweder „süß“ oder „sexy“ – wobei das eben eine Frage des Ohres und der Wahrnehmung ist, mit der es eventuell nur mir so geht.
Im Gegenzug dazu weisen männliche Synchronsprecher oftmals eine sehr tiefe, kraftvolle, oft auch ruhige Stimme auf. Aber das können auch Projektionen und unzulässige Zuschreibungen sein, die an einer bestimmten Art der Wahrnehmung – meiner Wahrnehmung – liegen. Um darüber genaueres sagen zu können, muss ich mich vermutlich noch mehr damit beschäftigen, bisher ist es nur eine These.
Was man für die (professionelle) Stimmbildung machen kann/sollte
Synchronsprechen und Hörbücher einsprechen, Bücher vorlesen fasziniert mich schon eine ganze Weile, aber neulich habe ich mich mal etwas bewusster damit beschäftigt, als ich über Podcasten, Sprechen, Stimmgebung usw. nachgedacht habe. Und dann habe ich mich darüber informiert, wie man eigentlich diesen Beruf ergreifen kann. Sehr hilfreich war dabei für mich eine Beitragsserie dazu im Audible Magazin.
Prinzipiell ist es notwendig, in irgendeiner Weise seine Stimme professionell auszubilden und zu fördern. Dafür gibt es Schauspielschulen, spezielle Sprecher_innenausbildungen, kürzer andauernde Kurse und Stimmtrainings, sowie eine Reihe anderer Angebote. Manche Sprecher_innen sind Radiojournalist_innen, einige bekannte Stimmen haben allerdings auch einen Quereinstieg geschafft.
Leider sind all diese Ausbildungswege oftmals unglaublich teuer oder an andere voraussetzungsreiche Bedingungen geknüpft, weshalb ich eigentlich schon wieder frustriert aufgeben wollte.
Aber dann dachte ich mir, warum nicht einfach mal ein wenig üben? In allen Beiträgen, die ich dazu gelesen habe, wird ganz deutlich hervorgehoben, wie wichtig die Übung im Einzelnen, im Privaten ist. Und deshalb nehme ich mich jetzt jeden Tag mindestens eine halbe Stunde auf, Tendenz steigend, damit ich meine Stimme auf langes Sprechen und mein Hirn auf langes, konzentriertes lautes (Vor-)Lesen/(Vor-)Spielen trainiere. Genremäßig möchte ich mich gar nicht festlegen, weil man eigentlich die Fähigkeit braucht, jeden beliebigen Text zu performen. Gerade lese ich ein eher theoretisches Buch zu Antikommunismus, danach möchte ich mich einer Erzählung widmen, auch mal einen Krimi, Texte für die Uni oder philosophische Texte einlesen.
Vorlesen und Einsprechen heißt: Performen
Warum ‚performen‘ und nicht ‚lesen‘? Ein weiteres Detail, was ich in der Auseinandersetzung mit dem Thema gelernt habe: Der Text, der eingelesen wird, will nicht einfach vorgelesen werden. Er will im Vorlesen schauspielerisch ausgestaltet, eben performt werden, deshalb gehört zum Hörbücher Einsprechen mehr dazu, als eine schöne Stimme und gute Vorlesefähigkeit. Es braucht eine überzeugende, eigene Art und Weise den Text darzubieten. Und das ist gar nicht so einfach, wie ich schon gemerkt habe. Auch Rufus Beck begreift Hörbücher einsprechen weniger als lesen und vielmehr als „vortragen“. Das Interview mit ihm über seine Arbeit an den Harry Potter-Hörbüchern fand ich ganz aufschlussreich diesbezüglich:
Wenn ich mir das von mir Vorgelesene anhöre, fallen mir immer unglaublich viele Details auf, auf die ich im Vorgang des Lesens nicht achte. Beispielsweise lese ich zwar schon eher langsam, aber immer noch zu schnell für diese Art der Performanz. Manchmal verschlucke ich außerdem Silben in der Mitte von Wörtern oder spreche ein Wort undeutlich aus. Und ich werde wahnsinnig schnell müde und unkonzentriert, deshalb ist Übung so essentiell, glaube ich.
Erstmal erhoffe ich mir jetzt keine großen Erfolge, im Moment mache ich das eher für mich. Klar, ich denke auch daran, dass diese Sache eine gute Übung für meinen geplanten Podcast ist, weil natürlich dafür Stimme, Betonung, Sprechfluss, usw. essentiell sind. Und ich stelle fest, dass mir dieses Einlesen und Texte so performen unglaublich viel Spaß macht, mich ein bisschen an vergangene Slam-Zeiten erinnert und dass ich dabei sehr viel lerne, irgendwie gutes Selbststudium betreiben kann.
Wer das Thema so spannend findet, wie ich, möge sich doch mal diese kurze Einsprech-Sequenz mit Thomas Fritsch ansehen. Daran kann man meiner Meinung nach ganz gut sehen, wie groß doch eigentlich der schauspielerischer Anteil am Einsprechen ist:
Wenn ihr Tipps oder ähnliches zu diesem Thema habt, schreibt mir gerne. Auch über Ideen für Texte zum Üben freue ich mich!